Georges Adéagbos künstlerisches Schaffen ist eine Form der urbanen Archäologie, die den sichtbaren Überresten seiner eigenen Biografie und deren kolonialhistorischen und globalen Verflechtungen nachgeht. Seine künstlerische Praxis beruht auf dem Sammeln, Arrangieren und Gegenüberstellen von »objet trouvés« seiner alltäglichen Reisen durch die europäische und afrikanische Welt: Weggeworfenes, Verlorenes, Wiedergefundenes, Bücher, Fotos, Objekte, Stoffe, Naturalien, eigene Texte und in Benin in Auftrag gegebene Skulpturen, Masken oder Bilder wandelt er zu raumgreifenden und ortsbezogenen Assemblagen. Sie schaffen eine synkretische Bildsprache, die den Versatzstücken differenter Zeiten, Räume und Kulturen ein gleichwertiges Nebeneinander ermöglicht und hoheitliche Sichtweisen auflöst. Der Wahlhamburger Adéagbo dekolonisiert auf subtile Weise, indem er die Ubiquität von westlichem Rationalismus hinterfragt und der oberflächlichen Klassifizierung von Ereignissen und Dingen mit der Vielzahl seiner Erzählstränge widerstrebt. Er ist mit diesem künstlerischen Ansatz, der die Komplexität und Hybridität im Sehen, Wahrnehmen und Verstehen von unserer Gesellschaft huldigt, ein Vorreiter postkolonialen Diskurses in Hamburg. Beispiele wie die in der Hansestadt neu entfachte Diskussion um die Zukunft des Bismarck-Denkmals verdeutlichen, dass für einen angemessenen Umgang mit unserem kolonialen Erbe, auch marginalisierten Positionen lokaler Black Communities Gehör und Sichtbarkeit gegeben werden muss.
Erst diese Vielschichtigkeit an Perspektiven, die Bekanntes und Fremdes zusammenbringt, erlaubt es neue Verbindungen entstehen zu lassen, die sozialen Wandel und kollektives Miteinander ermöglichen. Ausgehend von diesem Gedanken wird die Ausstellung »Talking Mirrors« bei M.Bassy um drei zusätzliche, differente künstlerische Positionen aus Adéagbos Heimatland Benin erweitert, um in einen Dialog über die Sichtbarkeiten und Unsichtbareren (post)kolonialer Realität im öffentlichen Raum zu treten. Seine für den Hauptraum der M.Bassy konzipierte installative Assemblage wird demnach in den Nebenräumen durch Foto- und Videoarbeiten der zeitgenössischen KünstlerInnen und FilmemacherIinnen Eliane Aïsso, Ishola Akpo und Thierry Oussou ergänzt.
Die Ausstellung wird von Stephan Köhler vom Kulturforum Süd-Nord e.V. in Kooperation mit M.Bassy e.V. kuratiert und organisiert.
Georges Adéagbo
Georges Adéagbo (*1942) wurde in Contenou (Benin) geboren. Nach seinem Jurastudium in Paris kehrte er in seine westafrikanische Heimat zurück, wo er sich ab den 1970er-Jahren seiner künstlerischen Praxis widmete. Er lebt und arbeitet heute ebenso in Hamburg, wo er bereits 2015 unter dem Projekt »Stadtkuratorin« sein Werk im öffentlichen Raum sowie 2017 mit einer Einzelausstellung im Kunsthaus Hamburg anlässlich der Verleihung des Kunstpreises Finkenwerder geehrte wurde. Seit seiner »In-Situ«-Installation auf der 2002 von Okwui Enwezor kuratierten documenta 11 zählt er zu den renommiertesten Künstlern Afrikas. Seine Arbeiten sind u.a. Teil der Sammlungen des Museum of Art, Philadelphia, des Museum Ludwig, Köln und des Moderna Museum, Stockholm.
Eliane Aïsso
Eliane Aïsso (*1989) ist eine bildende Künstlerin aus Benin, die in den Medien Textil, Skulptur und Fotografie arbeitet und ebenso in Frankreich lebt. Sie studierte u.a. Kunstgeschichte und Archäologie, nahm an zahlreichen internationalen und interdisziplinären Künstlerresidenzen und Workshops teil und stellte 2020 in Hamburg mit der Schau »Reversed Exploration« in der Kunstklinik Eppendorf aus.
Ishola Akpo
Ishola Akpo (*1983) arbeitet als Fotograf und Multimediakünstler in Cononou. 2013 wurde er mit dem Visa pour la création (Institut Français, Paris) geehrt und präsentierte eine Ausstellung am Institut Français in Cotonou. 2014 nahm er an der 1:54 Kunstmesse in Morocco teil und 2015 ging seine Serie »Les mariés de notre époque« in die Sammlung des Musée du Quai Branly in Paris über. Sein Werk wurde an Ausstellungen am Weltkulturen Museum Frankfurt, auf der Fotonoviembre auf Teneriffa, während der Nuit blanche de Port-au-Prince, auf dem Lagosphotos Festival und dem Afreaka Festival in Brasilien präsentiert. Er hat an zahlreichen Künstlerresidenzen teilgenomen: u.a. in der Montresso Foundation (Morocco) und der Zinsou Foundation (Benin).
Thierry Oussou
Thierry Oussou (*1988) lebt und arbeitet in Benin. Er bezeichnet seine künstlerische Praxis - die Gemälde, Videos, Zeichnungen, Installationen und Performances umfasst - als „soziale Archäologie“, die die Beziehung zwischen zeitgenössischer Kunst und ethnografischen Objekten erforscht. Sie wirft Fragen der Authentizität und Sichtbarkeit in Bezug auf das Erbe und die Archäologie auf, insbesondere die seines Geburtslandes Benin. „Ich habe den Wunsch, das Verschwinden zu dokumentieren, bevor es ganz verschwunden ist“, sagt Oussou. „Das Vergessen und die Unkenntnis der eigenen Geschichte kann von Politikern als Manipulationsinstrument eingesetzt werden. Deshalb habe ich auch das Gefühl, dass es notwendig ist, einige Dinge zu bewahren, einfach um des Wissens willen.“ Kürzlich nahm er an der Berlin Biennale teil, wo er ein Projekt zeigte, das sich mit der Debatte um die Rückführung afrikanischer Artefakte befasste, und hatte darauf eine Einzelausstellung bei Tiwani Contemporary in London.
Eröffnung 11.09.2021, 19.00 – In Anwesenheit aller Künstler (Die Veranstaltung ist leider ausgebucht)
Für die Teilnahme an Veranstaltungen ist der Nachweis eines negativen Coronatestes, einer Impfung oder einer Genesung Voraussetzung.
Reservierungen unter reservation@m-bassy.org
M.Bassy e.V.
Schlüterstraße 80, 20146 Hamburg
Öffnungszeiten: Do – So, 14 – 18 Uhr mit Voranmeldung: reservation@m-bassy.org
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Die Ausstellung wird von der Behörde für Kultur und Medien Hamburg und der ifa, Institut für Auslandsbeziehungen unterstützt.